„Es wird uns immer brauchen“

25. September 2024

Martin Weinberger über fordernde Zeiten, Sparmaßnahmen und die Zukunft mit KI.

Er ist Leiter Verwaltung, Marketing und PR im B7 und in diesen Wochen und Monaten so gefordert wie viele im Führungsteam des Sozialvereins, der sich nach 40 Jahren längst höchstgradig professionalisiert hat. Martin Weinberger sieht im Interview fordernde Zeiten auf die sozialen Vereine zukommen, gleichzeitig aber auch spannende Zeiten, wenn er nur an den Einsatz moderner Technologien im Beratungsalltag denkt.

– Wo steht das B7 mit seinem Angebot heute, 40 Jahre nach der Gründung?

Das B7 hat sich von einer Freiwilligenorganisation hin zu einem professionellen Verein entwickelt, der zur Zeit nur hauptberuflich Angestellte hat. Es gibt ganz andere Anforderungen vom Fördergeber. Ich glaube nicht, dass die Dienstleistungen, die wir heute anbieten, nur mit freiwilliger Arbeit möglich wären. Die Expertisen, die es dazu braucht, würden sich nicht mehr ausgehen. Es hat aber auch einen starken Wandel zur Quantifizierbarkeit unserer Arbeit gegeben. Wir müssen Daten liefern und werden auf Grundlage von Daten bewertet.

– Ihr habt mit Menschen zu tun, die Hilfe und Unterstützung brauchen. Das hat eine starke emotionale Komponente. Kann man das so einfach bewerten?

Ich glaube, dass man es nicht einfach bewerten kann. Ich verstehe aber die Fördergeber, die wissen wollen, wie effizient die Steuergelder eingesetzt werden. Auch wenn klar sein muss, dass man nicht unsere gesamte Arbeit bis ins letzte Detail mit Zahlen hinterlegen kann, ist es ein ehrlich gemeinter Versuch. Allerdings können wir nicht alles mit Zahlen sichtbar machen.  Ich habe aber momentan nicht das Gefühl, dass es in der Bewertung unserer Arbeit nur um Zahlen geht. Der kritische Punkt ist noch nicht erreicht, wo wir gar nicht mehr über die Inhalte unseres Angebotes reden. Das würde sicher sehr gefährlich werden. Auch wenn dieser Punkt noch nicht erreicht ist, fordert es uns und es passt nicht in das ureigenste Selbstverständnis eines Sozialvereins und vieler Beraterinnen. Das ist nicht die Denkweise, weil du willst immer dem Einzelnen helfen. Es ist ein Spagat. In meiner Position geht es auch um Qualitätsmanagement, wo ich mich viel mit dem Gütesiegel für soziale Unternehmen auseinandersetze. Ich habe da vielleicht noch eine andere Perspektive als eine Beraterin.

– Gespart wird überall, gerade auch im Sozialbereich. Wie schaut die mittelfristige Perspektive für die Sozialarbeit des B7 aus? Wird es härter werden?

Es wird uns immer brauchen. Die Gesellschaft werden wir nie erreichen, wo es keinen Bedarf an sozialen Vereinen wie wir es sind oder Sozialunternehmen mehr gibt. Wie viele finanzielle Mittel man für diese Arbeit zur Verfügung steht, ist eine politische Entscheidung. Die Option, dass es uns nicht mehr gibt, wird es unter keiner Regierung geben, davon bin ich überzeugt. Ob wir aber ausreichend mit Geld versorgt werden, ist eine politische Entscheidung. Da wird sehr viel von der Nationalratswahl Ende September abhängen.

– Im Moment schwebt über den sozialen Vereinen und Unternehmen das Damoklesschwert von Kürzungen. Woher rührt das?

Grundsätzlich gilt es als ungeschriebenes Gesetz, dass das Arbeitsmarktservice mit mehr Mittel ausgestattet wird, je höher die Arbeitslosigkeit ist. Das leuchtet ein. Es hat sich aber im Jahr 2024 umgekehrt. Heuer ist die Arbeitslosigkeit höher als 2023, die Mittel sind aber deutlich reduziert worden. Das spüren wir jetzt gerade, dass bei den Angeboten richtig gekürzt wird. Es gab keine Inflationsanpassung, was angesichts von neun Prozent Inflation im Vorjahr schlimm genug war. Doch jetzt kommt noch die Streichung von Stellen dazu. Das ist intern gerade ziemlich hart.

– Das hört sich nicht sehr erfreulich an.

Es wird gerade bei allen Sozialvereinen richtig ungemütlich, weil man Personal abbauen muss. Wir wissen alle nicht, ob es im Jahr 2025 wieder heißt, dass die Arbeitslosigkeit steigt und wieder aktivere Arbeitsmarktpolitik gemacht wird, was bedeutend würde, dass es vier Monate, nachdem Personal entlassen wurde, wieder mehr Arbeitsplätze geben würde. Das ist frustrierend und ineffizient.

– Wie kann man sich da als Verantwortlicher und Mitarbeiter noch motivieren?

Ich glaube, dass man diese Hiobsbotschaften mittlerweile anders aufnimmt und aus Selbstschutz sogar etwas zumacht. Das Personal malt sich gar nicht aus, was das alles heißt, weil es so belastend ist und weil wir immer wieder mit unterschiedlichen Ankündigungen im Kontext mit dem AMS konfrontiert sind. Das ist sehr fordernd für alle Beteiligten. Ich bin aber total motiviert und habe Spaß an der Arbeit. Ich beschäftige mich auch gerne mit neuen Sachen.

– Zu den neuen Sachen gehört auch die Künstliche Intelligenz, die KI. Ist ihr Einsatz im B7 auch schon ein Thema?

Es ist wahnsinnig spannend was sich da tut, weil es auch um die Frage geht, wie es die Beratungen verändern kann. Jede arbeitssuchende Person kann bei ChatGPT ein Motivationsschreiben für eine bestimmte Stelle anfordern. Wie sich das entwickelt, wird spannend zu beobachten sein. Es könnte durchaus so sein, dass die Menschen wie bei den Ärzten auch bei uns zu den Beratungen kommen und eh schon „wissen“, was sie brauchen, weil es ihnen die KI schon gesagt hat. Ich glaube schon, dass dieses Phänomen kommen wird. Natürlich wird es die Menschen, die Beraterinnen auch in Zukunft brauchen und es stimmt auch nicht alles, was die KI produziert. Aber mächtige Tools sind das schon. Ich denke schon, dass sich da im Alltag etwas ändern wird, vor allem bei den Jungen unter unseren Kunden.

– Darauf müsst ihr euch im B7 auch einstellen?

Natürlich. Da haben wir auch schon interne Fortbildungen gemacht. Jetzt entwickeln wir gerade eine Strategie, um zu schauen, was wir von den Möglichkeiten der Digitalisierung alles nutzen wollen und wie es den Berateralltag verändern kann.

– Wird KI bei euch schon eingesetzt?

Ja. Es ist alles noch freiwillig, aber es gibt Beraterinnen bei uns, die ChatGPT nutzen, um Anforderungsprofile für Stellen und potentielle Anwärter rascher zueinander bringen zu können. Das erspart Zeit, die im besten Fall für die persönliche Betreuung der Kunden genutzt werden kann. Das ist die Gefahr. Technologie ist schneller, ist Verdichtung. Du kannst die Verdichtung für Pausen in der Arbeit oder mehr Zeit im menschlichen Kontakt nutzen. Oder man nutzt Verdichtung, dass viel mehr Leute kommen können. Es geht daher um die Frage, was man nutzen kann. Man muss den Beraterinnen, die sehr gut im Gespräch sind und Garant für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kunden sind, eine gewisse Anleitung an die Hand geben. Es geht aber auch um das bewusste Gestalten und was wir nicht wollen, was passiert. Wir versuchen als B7, so gut es geht im Einsatz mit der KI vorne dabei zu sein, ohne uns davon verrückt machen zu lassen.



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